
Anfang September hat mein Auslandssemester in Qingdao, China begonnen. Natürlich war ich gespannt, was auf mich zukommt, da man von China erwartet, dass sehr vieles anders abläuft als zu Hause. Das bestätigte sich direkt zu Beginn. Angekommen in China, wussten wir immer noch nicht, wann genau unsere Vorlesungen beginnen und wann sie enden werden. Aber genau auf solche Situationen muss man sich in China schnellstmöglich einlassen.
Unser Campusleben
Nachdem die ersten Wochen vorbei waren und wir ungefähr wussten, wie alles abläuft, gewöhnten wir uns schnell ein. Da wir nur vormittags Vorlesung haben, bleibt unter der Woche genug Zeit den Campus und die Umgebung zu erkunden.
Die meisten von uns wohnen in Doppelzimmern in dem Wohnheim direkt auf dem Campus. Wir teilen uns immer zu zweit ein Zimmer und ein Bad. Am Anfang war das etwas ungewohnt, aber wir kommen gut miteinander klar. Die „Internationals“ haben ein eigenes Gebäude sowie separate Vorlesungen, was es uns vor allem am Anfang schwer gemacht hat chinesische Studenten kennenzulernen. Zusätzlich können nur die wenigsten Chinesen so gutes Englisch, das eine normale Konversation zustande kommt.
Allerdings führen donnerstags zwei chinesische Studenten für uns arrangierte Besuche in chinesischen Unternehmen in der Region durch. So haben wir mehr über das chinesische Studentenleben erfahren, dass sich sehr von unserem unterscheidet.
Die chinesischen Studenten leben auf dem Campus in Vierer-Zimmern und haben nahezu den gesamten Tag Vorlesungen. Wer nicht vor 22:30 Uhr in seinem „dorm“ ist, kann erst am nächsten Morgen um 06:00 Uhr wieder rein. Außerdem müssen die chinesischen Erstis im ersten Studienmonat eine Art Militärdienst absolvieren. Mehrmals am Tag haben sich in unserem ersten Monat Gruppen auf allen Sportplätzen versammelt und Marschieren geübt.
Der große Campus bietet aber sowohl für die chinesischen Studenten als auch für uns einige Vorteile. Es gibt viele Mensen mit einer Auswahl, die in Deutschland unvorstellbar ist. Zusätzlich ist der Preis kaum zu toppen – für höchstens 2 Euro bekommt man alles, was man möchte. Zu Beginn mussten wir uns unsere Gerichte erst „suchen“, aber mittlerweile wissen wir ganz gut, was uns schmeckt und wovon wir lieber die Finger lassen.
Chinesische Vorlesungen
Die Vorlesungszeiten sind sehr angenehm. Oft haben wir nur bis 12:00 Uhr Vorlesung. Ein Vorteil davon auf dem Campus zu wohnen, ist, dass unser Zimmer im vierten Stock liegt und unsere Vorlesungen im zweiten Stock desselben Gebäudes stattfinden. Einen kürzeren Weg in die Vorlesung kann man kaum haben. In vielen Vorlesungen können wir das Wissen, das wir an der accadis erlangt haben, sinnvoll einbringen. Ein besonderer Schwerpunkt wird hier auf Präsentationen gelegt. Auch daran sind wir dank der accadis gewöhnt. Außerdem ist es interessant, die chinesische Sicht auf internationale Themen zu erfahren. Diese unterscheidet sich oft von unserer westlichen Herangehensweise.
Neben unserem Schwerpunkt International Business, haben wir Kalligraphie, wo wir die chinesischen Zeichen lernen. Dazu lernen wir „Basic Chinese“. Wenn man davor nicht bereits an der accadis den Chinesisch-Kurs belegt hatte, ist es schwierig in die Sprache einzusteigen. Nichtsdestotrotz ist es sehr interessant, zumindest die Basics zu lernen!
Unsere chinesische Heimat: Qingdao
Qingdao ist für deutsche Verhältnisse eine relativ große Stadt. Dementsprechend hat sie viel zu bieten. Was sich besonders in den ersten Wochen noch wie Urlaub angefühlt hat, war das Meer. Bis Ende September konnten wir uns noch am Strand sonnen und schwimmen gehen. Außerdem hat Qingdao abends eine außergewöhnliche Skyline, die mit einer LED-Show beleuchtet wird. Über 40 Hochhäuser sind aufeinander abgestimmt. So sieht man beispielsweise ein Feuerwerk, das Meer oder das Tsingtao Bier. Am besten lässt sich das vom Hafen oder von einer Rooftop Bar bestaunen. Auch zum Ausgehen bietet die Stadt einiges, unter anderem Bars, Kinos und Clubs. Außerdem laden Shoppingmalls oder Night- und Foodmarkets zum Schlendern und Mitbringsel Kaufen ein.
Auch das Wetter in Qingdao überzeugt (fast) immer. Bisher hatten wir kaum Regen und fast nur Sonnenschein. Auch jetzt im November erreichen wir noch manchmal die 20-Grad-Marke. Das einzige, was einigen von uns oft zu schaffen macht, sind die Smog-Werte. Im Sommer waren sie noch sehr gut, aber seit Mitte Oktober gibt es auch schlechte Tage, die Kopf- und Halsschmerzen verursachen.
Land und Leute
Die Erwartungen an und Vorstellungen von China stimmen. Es ist sehr anders und das ist sowohl positiv als auch negativ gemeint. Die Sitten, die man Chinesen zuschreibt, stimmen auch. Es wird geschmatzt, gerotzt, gespuckt und es werden viele Fotos gemacht – vor allem von Ausländern. Einige der Chinesen fragen, bevor sie ein Bild von oder mit uns machen. Andere halten einen einfach fest oder bauen das Stativ vor einem auf und fotografieren.
Trotzdem sind die Chinesen, was den Kontakt mit uns angeht, sehr schüchtern und zurückhaltend. Viele denken, ihr Englisch sei nicht gut genug, um mit uns zu kommunizieren. Wenn dann ein Kontakt entsteht und man ins Gespräch kommt, sind die meistens sehr freundlich und zuvorkommend. Einige Male wurden wir schon zum Essen eingeladen, uns wurde großzügig geholfen, wir erhielten Tipps oder wurden zu unserem Zielort begleitet.
Unsere Reiseerfahrungen In der ersten Oktoberwoche ist in China „Golden Week“. Das bedeutet, dass nahezu alle Chinesen frei haben. Wer es sich leisten kann, reist. Auch wir hatten in diesem Zeitraum keine Vorlesungen und zu unserem Glück danach eine weitere Woche frei. So bereisten wir zwei Wochen lang das Land und lernten es weiter kennen. Lisa und ich haben in Kunming, einer für chinesische Verhältnisse kleinen Stadt im Süden angefangen und seit unserer Ankunft mal wieder mehr Natur erlebt.
Danach ging es für uns nach Guilin zu den Reisterrassen und dann in die Avatarberge. Zum Abschluss sind wir nach Peking und zur chinesischen Mauer gereist. In den zwei Wochen haben wir viele verschiedene Seiten Chinas entdeckt, was geholfen hat, das Land, das sich in so vielen Aspekten von Deutschland unterscheidet, kennenzulernen.
An Wochenenden haben wir Shanghai bereist, waren in Qufu, der Geburtsstadt von Konfuzius, und sind fünf Stunden den Tai‘Shan hochgewandert, um von dort den Sonnenunter- und -aufgang zu bewundern. Durch die Schnellzüge und die gute Fluganbindung ist es in China einfach viele Orte relativ günstig zu bereisen. Diese Möglichkeit wissen wir sehr zu schätzen und nutzen sie gerne.
Mein China-Fazit
Am Anfang war es oft herausfordernd, sich auf chinesische Herangehensweisen einzulassen. Doch nachdem wir uns daran gewöhnt hatten und für viele anfängliche Probleme Lösungen fanden, können wir China nun in vollen Zügen genießen. Durch all diese Erfahrungen nehmen wir unglaublich viel aus unserer Zeit in China mit. Aktuell befinde ich mich in meinem letzten Monat des Auslandssemesters und ich weiß jetzt schon, dass ich die Zeit und das Land vermissen werde, sobald ich wieder in Deutschland bin.
Rebekka Keller, Business Communication Management 2020
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