
Eine Karriere als Klavier-Meisterschüler, ein Musikstudium UND ein BWL-Studium an der accadis Hochschule Bad Homburg – diesen beeindruckenden Alltag bewältigt Alexander Preiss. Ist er vor einem Konzert aufgeregt? Was gehört unbedingt zu einem Konzerttag? Wie sieht sein Trainingsprogramm aus? Wie bekommt er seine Karriere und das Studium unter einen Hut? Wollte er seine Klavierkarriere schon mal an den Nagel hängen? Wir haben mit ihm gesprochen.
Lieber Alexander Preiss, parallel zu Ihrem accadis-Studium beeindrucken Sie als Klavier-Meisterschüler in der Meisterklasse von Lev Natochenny. Kürzlich spielten Sie auf einem Galakonzert in Bad Homburg. Sind Sie vor solch einem Konzert noch aufgeregt?
AP: Das kommt ganz darauf an, ob das Stück oder Programm eine persönliche Erstaufführung ist oder ob ich es bereits öfter aufgeführt habe. Im zweiten Fall weiß ich größtenteils, was mich erwartet, da sich jedes Stück vor Publikum ganz anders verhält als während des Übens. Wenn ich bei jedem Stück die „Publikumserfahrung“ gesammelt habe, fällt es mir mit jedem Mal sehr viel leichter und die Aufregung sinkt.
Wie sieht die Stunde vor Konzertbeginn bei Ihnen aus?
AP: Vor Konzertbeginn spiele ich mich immer ein, da meine Hände oftmals kalt sind. Nach Einlass der Zuschauer empfange ich gerne einen Teil mit und suche den Kontakt, um Bekanntschaften zu schließen und andererseits um mich abzulenken.
Was gehört für Sie unbedingt zu einem Konzert- bzw. Wettbewerbstag?
AP: Ein Morgen ohne Wecker, ein richtiges Mindset und Inspiration.
Ihre pianistische Ausbildung begann, als Sie acht Jahre alt waren. Wie kann man sich das als Laie vorstellen, waren Sie einfach „schneller“ im Klavierspiellernen als andere in Ihrem Alter?
AP: Talent ist ein Teil. Erfolg erzielt man jedoch nur mit der Verbindung aus Arbeit und Talent. Während meiner Meinung nach Talent im jungen Alter eine signifikantere Rolle spielt als im späteren Alter, kommt man ohne Mühe nicht zum Ziel. Sicherlich verhalf mir eine Kombination dieser Aspekte zum Erfolg, aber den wichtigsten Teil habe ich noch nicht erwähnt. Das wäre die Förderung einerseits durch die Eltern und andererseits – noch wichtiger – durch den Klavierprofessor. Man sagt immer, zwischen Lehrer und Schüler herrscht ein 50/50-Verhältnis von Lehren und Lernen, ohne das eine geht das andere nicht. Wenn aber der Professor die Inspiration und die musikalischen Interessen weckt, sieht die Gewichtung zwischen eigenem Lernen und Lehren ganz anders aus. Somit war und ist die Person des Professors das Wichtigste und das Erfolgsgeheimnis.
Gab es Zeiten, in denen Sie das Klavierspielen fast aufgegeben hätten?
AP: Ja, vor allem im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren hat man sicherlich andere Interessen als klassische Musik und Üben.
Was ist die größte Herausforderung daran, auf Ihrem Level Klavier zu spielen?
AP: Meiner Meinung nach gibt es zwei Ebenen, die man bewältigen muss. Die erste Ebene besteht aus den musikalischen und technischen Grunderwartungen, die gefordert werden, wenn man auf diesem Level Musik macht. Die zweite, weitaus komplexere Ebene bezeichnet die Art und Weise, wie man sich von anderen professionellen Musikern unterscheidet, sei es durch interessante oder sogar geniale musikalische Ideen oder einzigartige Interpretationen. Bei Wettbewerben hingegen führt eine individuelle Interpretation leider selten zum Erfolg.
Wie sieht Ihr „Trainingsprogramm“ aus?
AP: Die Übungszeit hängt einerseits z. B. von einem Konzert ab, das ansteht, und auch von dem betreffenden Tag an sich, sprich wie viel ich außermusikalisch zu erledigen habe. Übungszeiten vor wichtigen Konzerten (ein bis zwei Monate davor) bei einem neugelernten Programm betragen meist zwischen dreieinhalb und sechs bis sieben Stunden. Nicht inbegriffen sind Klavier- und Theorieunterricht des Musikstudiums.
Welches Stück spielen Sie am liebsten?
AP: Die erste Chopin Ballade in g-Moll ist das Werk, welches mich dazu inspiriert und animiert hat professionell Klavier zu spielen. Es hat nicht nur eine persönliche Bedeutung, sondern ist dazu noch ein unglaublich geniales und wichtiges Werk der romantischen Musikliteratur (genauso wie die anderen Balladen von Chopin, von denen ich die übrigen drei fast genauso gerne spiele).
Welches Konzert war bisher Ihr schönstes und warum?
AP: Das schönste Konzert wäre für mich jenes Konzert, bei dem alle meine musikalischen Ideen so umgesetzt werden, wie ich sie mir vorstelle. Da ich jedoch sehr selbstkritisch bin, wird es das „perfekte“ oder „schönste“ Konzert für mich wahrscheinlich nie geben. Brilliant und schön schon, aber nicht perfekt.
Wie kriegen Sie Ihre Klavierausbildung, zu der auch das Studium an einer Musikhochschule in der Schweiz gehört, mit einem BWL-Studium an der accadis Hochschule unter einen Hut?
AP: Wenn man sich die Zeit richtig einteilt, klappt das ganz gut. Ich musste öfter Vorlesungen ausfallen lassen und konnte einige Vorlesungen nicht richtig nacharbeiten, aber ich verzichte z. B. auf musikalische Events vor den Prüfungsphasen, um mich ausreichend vorzubereiten.
Wie kam es dazu, dass Sie parallel BWL studieren? Soll es beruflich weniger in Richtung Musik gehen?
AP: Es gibt zu viele Fälle, in denen unglaublich begabte Musiker kaum Erfolg mit reiner Musik haben. Dieser Markt ist sehr begrenzt, riskant und im Allgemeinen relativ schlecht bezahlt. BWL bzw. Management gibt mir die Möglichkeit, meine Qualifikationen zu erweitern und mich auf beruflichen Feldern wie Musik- und Eventmanagement zu bewegen. Beruflich soll es trotz alldem Richtung Musik gehen, ob „aktiv“ oder „passiv“.
Lieber Alexander Preiss, vielen Dank für das spannende Gespräch.
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