Als Deutscher Meister im Siebenkampf in den Hörsaal

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Andreas Bechmann (AB) schafft den Spagat zwischen Leistungssport und Bachelor-Studium. Er hat gerade die Deutsche Meisterschaft im Hallenmehrkampf gewonnen und studiert General Management an der accadis Hochschule Bad Homburg. Wir haben mit ihm gesprochen – über seine Ziele im Sport, das Nervenkostüm eines Leistungssportlers, den Wert des Trainers und das Studium.

Lieber Andreas Bechmann, Ende Januar haben Sie auf der Deutschen Meisterschaft im Hallenmehrkampf die Siebenkampf-Goldmedaille geholt, herzlichen Glückwunsch zu dieser beeindruckenden Leistung. Was haben Sie nach der Siegerehrung als erstes gemacht?

AB: Als erstes stand die Dopingkontrolle auf dem Plan. Das hat sich zwar über eineinhalb Stunden hingezogen, aber es hat mir geholfen, ein wenig runterzukommen und zu realisieren, was gerade passiert war. Nach der Kontrolle wartete die Fachpresse und mein Handy hat nicht aufgehört zu vibrieren.

An welchen Moment Ihrer bisherigen Karriere werden Sie sich immer erinnern?

AB: Das vergangene Jahr war Wahnsinn – zwei Zehnkämpfe, meine erste WM-Teilnahme… Noch prägender war aber der Qualifikationswettkampf für die WM. Es war mein erster Zehnkampf mit internationaler Konkurrenz. Im Ziel anzukommen und zu wissen, gewonnen zu haben, war unglaublich befreiend. Das hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.

Welcher Sportler hat Sie zuletzt beeindruckt und warum?

AB: Meine Trainingskollegin Carolin Schäfer. 2017 ist sie Vizeweltmeisterin geworden, 2018 ergatterte sie Platz drei. Sie ist auf dem Level, das ich erreichen möchte. Wir trainieren täglich zusammen, dabei lerne ich sehr viel. Ich versuche aber, mich nicht zu ihrem Abbild zu entwickeln. Aus der Orientierung, die sie mir gibt, hole das Beste für mich heraus. Mehrkämpfer sind Individualisten. Bei zehn Disziplinen gibt es nicht „das Beste“ oder „das Schlechteste“. Manche Mehrkämpfer werfen gut, andere springen gut. Ich schaue mir ab, was mich voranbringt.

Wie behalten Sie in einem Wettkampf die Nerven?

AB: Das ist eine große Herausforderung. Ein Mehrkampf ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Dass es, wie letztes Wochenende, durchgängig gut läuft, ist sehr selten. Mein Trainer ist die Ruhe in Person. Er hilft mir, meine Emotionen in Balance zu halten. Man darf weder leichtsinnig werden, wenn es gut läuft, noch in Selbstmitleid versinken, wenn man einen schlechten Tag hat. Der positive Einfluss meines Trainers ist Gold wert.

Welche Disziplin ist Ihre Lieblingsdisziplin und warum?

AB: Mir machen die technischen Disziplinen Spaß, für man sich nicht zu sehr quälen muss. Laufen ist bei mir folglich nicht auf Platz eins. Sprünge und Würfe liegen mir mehr. Ich mag die Vielfalt im Mehrkampf. Ich muss nicht jeden Tag jede Disziplin bis zur Perfektion trainieren. Der Sport erfordert verschiedene körperliche Abläufe und Muster. Diese Herausforderung reizt mich.

Wann haben Sie Ihr Talent entdeckt?

AB: Ein Leichtathletik-Trainer muss die Entwicklung eines Sportlers erkennen. Mein Jugend-Trainer hat mich in der Talentfördergruppe meiner Schule entdeckt. Ich war allerdings auf einem normalen Gymnasium, nicht auf einer Sportschule. Den Aufnahmetest für die Carl-von-Weinberg-Schule habe ich in der dritten Klasse sogar mit Pauken und Trompeten in den Sand gesetzt. Mein Jugend-Trainer hat mich zehn Jahre begleitet, geformt und gefordert. Er hat immer an mich geglaubt. Seit einem Jahr habe ich in Jürgen Sammert einen neuen Trainer, der mich genauso unterstützt.

Was ist Ihr großes Ziel in der Leichtathletik?

AB: Die Jugend-WM letztes Jahr war ein schöner Meilenstein. Es ist schwierig, als Mehrkämpfer ein festes Ziel zu haben. Eine Verletzung reicht, um von der Bühne zu verschwinden, das geht ganz schnell. Ich möchte auf jeden Fall 8000 Punkte im Zehnkampf erreichen. Das ist eine magische Grenze. Danach muss ich schauen, wie weit ich komme. Internationale Wettkämpfe machen viel Spaß, es ist eine Ehre, das Deutschland-Trikot zu tragen. Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich es anziehe. Eine EM wäre schön, die WM oder Olympia natürlich traumhaft. Ich mache es so lange, wie ich kann, und versuche so weit zu kommen, wie es geht.

Wo ist die Altersgrenze in der Leichtathletik auf Leistungssportniveau?

AB: Der Europameister im Zehnkampf 2018 ist 33 Jahre alt. Vor mir liegen also noch etwa 13 Jahre im Leistungssport. Mehrkämpfer kommen erst in der zweiten Hälfte der Zwanziger zu ihrer Bestform. Bis man die vielen Disziplinen auf Leistungsniveau beherrscht, dauert es eine Weile. Ein Speerwerfer trainiert zum Beispiel nur eine Disziplin. Als Zehnkämpfer benötige ich theoretisch zehn Mal mehr Training, um auf das gleiche Level zu kommen.

Sie studieren in Vollzeit General Management an der accadis Hochschule. Studium und Leistungssport – wie bringen Sie das unter einen Hut?

AB: Man braucht ein perfekt abgestimmtes System aus Training und Studium. Gutes Zeit-Management ist sehr wichtig. Ich weiß genau, wie viel Zeit ich wann für was habe. Daran muss ich mich halten. An manchen Stellen muss ich Abstriche machen. Mir ist bewusst, dass es für die 100 Punkte am Ende des Studiums nicht reicht. Aber sie sind mein Ziel. Ich habe den Ehrgeiz, immer das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.

Mit der accadis Hochschule habe ich einen guten Partner für meine berufliche Zukunft. Selbst wenn ich eines Tages Olympia gewinnen sollte, habe ich als dreißigjähriger Mehrkämpfer nicht ausgesorgt. Das Studium ist eine gute Basis für die Zeit nach dem Sport.

Gibt es Studieninhalte, die Sie im Sport anwenden können?

AB: Die Soft Skills – für Sportler ist Selbst-Marketing sehr wichtig. General Management ist als finanzlastiger Studiengang inhaltlich weit entfernt vom Sport. Aber das ist gerade das Spannende. Ich hätte auch International Sports Management studieren können. Aber ich liebe die Abwechslung, die mein Studium mir bietet. Wenn ich mich unterschiedlichen Reizen aussetze, werde ich im jeweils anderen Feld besser. Außerdem habe ich im Sport bereits so viel mit der Branche zu tun, dass ich mich mit ihr nicht auch noch im Hörsaal auseinandersetzen möchte.

Soll es beruflich in Richtung Leichtathletik gehen?

AB: Ich möchte der Leichtathletik erhalten bleiben, vielleicht als Trainer. Aber es soll ein Hobby bleiben, auch wenn es bei mir nicht mehr als Hobby zu bezeichnen ist. Ich sage mir immer „Sei wie ein kleines Kind, dass sich jedes Mal auf das Training freut“. Ich mache den Sport, weil er mir Spaß macht. Das ist das Wichtigste für mich. Eines Tages möchte ich guten Gewissens mit dem aktiven Sport abschließen können, um etwas Neues anzufangen.

Lieber Andreas Bechmann, vielen Dank für das spannende Gespräch.

 

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