Das Projektstudium aus Unternehmenssicht

praktikum leo burnett

Als eine von wenigen Hochschulen hat die accadis Hochschule Bad Homburg mit dem Projektstudium ein viermonatiges Praktikum in das Vollzeit-Bachelorstudium integriert. Über diesen langen Zeitraum vertiefen die Studierenden in einem Unternehmen die im Studium erworbenen Fach- und Projektmanagementkenntnisse und wenden ihre Methoden- und Soft Skills-Kompetenzen in der Praxis an. Betreut werden die Studierenden dabei von einem accadis-Dozenten und einer Führungspersönlichkeit aus dem Unternehmen. Im Projektstudium mit der Deutschen Bank AG begleitet Dr. Matthias Heiler, COO Chief Technology Office, die Studierenden. Wir haben mit ihm über das Projektstudium gesprochen.

Aus Sicht eines Arbeitgebers: Wie beurteilen Sie das Projektstudium? Welche Möglichkeiten eröffnet es den Studierenden, die während des Studiums erlernten Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen praktisch anzuwenden?

MH: Den Mehrwert für die Studierenden sehe ich in erster Linie darin, eine erste berufliche Orientierung zu erhalten und sich seiner eigenen Sozialkompetenzen bewusst zu werden: Wie gefällt mir die Arbeit in einem großen, global agierenden Konzern oder passt eher der kleine Betrieb zu meinem Profil; vielleicht ist Selbständigkeit das richtige für mich? Passe ich mit meiner Persönlichkeit in die Branche oder das Unternehmen?
Zweiter Schwerpunkt sind für mich die Methodenkompetenzen. Das Studium selbst fokussiert mehr die Fachkompetenzen, den inhaltlichen Part, was ja auch richtig ist. Das Projektstudium ergänzt dies um die im Beruf so wichtigen Projektmanagementkenntnisse. Unsere Aufgabe ist, den Studierenden einen geschützten Rahmen zu bieten, in dem sie aus der Hochschul-Sicht in die Denk- und Handlungswelt des beruflichen Alltags wechseln und sich ausprobieren können: Was sollte ich noch zusätzlich lernen, was muss ich noch verbessern?

Wie finden Sie für Studierende ein passendes Thema für das Projektstudium?

MH: Als global aufgestellter Konzern ist die Themenfindung für uns relativ leicht. In der IT gibt es per se sehr verschiedene Aufgabenfelder: Kleine bis gigantische Change-Projekte, Betrieb der Infrastruktur und zahlreiche Governance-Funktionen wie Risk, Finance oder Resource-Management. Ich in meiner Stabsfunktion verantworte viele Querschnittsthemen und gehe bei der Themenwahl nach den Neigungen und Voraussetzungen der Studierenden vor. Mancher möchte Change-Projekte bearbeiten, andere setzen sich gern mit Zahlen auseinander. Auch der Kompetenzumfang spielt eine Rolle. Einige Studierende der accadis Hochschule verfügen bereits über Berufserfahrung und haben vor dem Studium z. B. eine Ausbildung zur Hotelfachfrau oder zum Bürokaufmann absolviert. Die kennen sich schon recht gut aus und haben in manchen Bereichen mehr Wissen als ein „klassischer“ Student, der direkt nach dem Abitur an die Hochschule gegangen ist. Wir schneiden die Aufgabenstellung in beiden Fällen so zu, dass keiner über- oder unterfordert ist. „Nach oben“ sind natürlich kaum Grenzen gesetzt. Es bleibt aber definitiv ein geschützter Raum, um sich auszuprobieren.

Was denken Sie über den Aufbau des Projektstudiums, das – ähnlich wie klassische Unternehmensprojekte – über Meilensteine wie Kick Off und Statusberichte verfügt?

MH: Meilensteine sind wichtig, keine Frage. Sowohl ein formaler Beginn, um das Ziel festzulegen, als auch ein formaler Abschluss geben eine grobe Orientierung. Die vier Monate Projektstudium an sich sollten aus meiner Sicht allerdings nicht durchgetaktet sein. Die Studierenden benötigen Freiräume zur Orientierung und Entwicklung. Auch Fehler sind erlaubt, wenn diese zu einem Lerneffekt führen. Eine vorgegebene Struktur kann dazu verführen, sich zu sehr von ihr leiten und treiben zu lassen. Das Projektstudium dient dazu, die Arbeitswelt kennenzulernen. Also – Grundstruktur ja, aber nicht zu granular.

Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Unternehmensbetreuer im Projektstudium?

MH: Stellvertretend für die vielen Funktionen des Betreuers nenne ich vier Rollen. Zum einen bin ich Mentor, begleite die Studierenden und erkläre ihnen die Unternehmenswelt der Deutschen Bank, den Aufbau der Organisation, die Aufgabenbereiche. Darüber hinaus bin ich Coach, der die Studierenden darin unterstützt, Dinge so umsetzen, dass sie a) ihrer persönlichen Struktur entsprechen und dabei b) auch Erfolge sehen. Zudem bin ich Wissensvermittler, der den Studierenden inhaltliche, bankspezifische Dinge erläutert. Wozu dient z. B. eine Hauptversammlung, warum gibt es sie? Weiterhin bin ich Führungskraft und Vorgesetzter, der Aufgaben delegiert. Sehr oft erlebe ich, dass die Studierenden diesen Hierarchie-Lerneffekt als großes Novum empfinden. Meist braucht es einige Zeit zur Verarbeitung. Nicht alles läuft auf gleicher Augenhöhe. Ich weise in dieser Funktion darauf hin, dass wir nur als Team gemeinsam erfolgreich sind. Auf mich als Betreuer wartet also ein Blumenstrauß an Rollen, die ich entsprechend der Situation in verschiedenen Ausprägungen lebe. Studierenden ohne Erfahrung hilft ein direkter Führungsstil, während Studenten mit beruflicher Expertise eher „an die lange Leine“ müssen. Sie wollen und können selbstständiger arbeiten, da spielt die Funktion als Coach die größere Rolle.

Als letzten Meilenstein fertigen die Studierenden eine wissenschaftliche Arbeit an und präsentieren ihre Erkenntnisse an der Hochschule vor einem Management-Gremium. Hilft den Studierenden die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Projektergebnissen dabei, Unternehmensprojekte später im Arbeitsleben für die Ansprüche von Entscheidern aufzubereiten?

MH: Über diese Frage habe ich länger nachgedacht und sie mit Kollegen diskutiert. Ich habe da – wie schon angeklungen – eine eigene Sichtweise. Die inhaltliche Auseinandersetzung muss sein, keine Frage. Diese Aufgabe erledigen die Dozenten in ihren Vorlesungen. Im Projektstudium geht es um die Methodenkompetenz, Projektmanagement. Die Hochschule kann nur bis zu einem gewissen Grad bieten, was das Projektstudium schärft: Wie wird ein (großes) Projekt geplant? Was muss ich vor Beginn des Projekts erledigen? Welches Budget ist nötig, wie funktionieren das Controlling und die Stakeholder-Analyse? Was sind die Entscheidungsgremien? Wer braucht wann was, damit das Projekt läuft? Inhaltliches Wissen ist hierbei zunächst zweitrangig und wird später in der beruflichen Praxis umgesetzt. Oftmals hilft es den Studierenden, wenn sie sich zu Beginn des Projektstudiums mit Kommilitonen zusammensetzen und das Projekt gemeinsam durchgehen. Dann wird ihnen klar, warum sie jetzt genau diese (kleinteilige) Entscheidungsvorlage entwerfen und wohin der Weg geht, wie ihre Arbeit im Gesamtkonzept wirkt. Wenn sie das verstanden haben, können sie sich später im Beruf schnell einarbeiten.

Welche Tipps haben Sie als langjähriger Verantwortlicher für Organisations- und IT-Projekte im Hause Deutsche Bank für Studierende, die in das Projektstudium gehen?

MH: Am besten machen sich die Studierenden frühzeitig mit den Grundlagen des Projektmanagements vertraut. Sie sollten einfach verstehen, wie man ein Projekt aufsetzt und managt.
Mein zweiter Tipp: Von Tag eins an den Betreuer nerven und sich nicht abwimmeln lassen, sondern fragen, fragen, fragen: Wie sieht die Struktur Ihres Bereiches aus, was sind die Services? Wie fügt sich das in das Gesamtkonstrukt?
Drittens sollten die Studierenden das Projektstudium als Chance sehen. Man agiert in einem geschützten Raum, es muss nicht gleich alles klappen. Man sollte dabei ehrlich zu sich sein. Was sind meine Neigungen und Stärken? Was gelingt mir gar nicht? Nicht immer passt es von der Branche oder Abteilung her, das ist ok. Man sollte sich dessen nur zügig bewusst werden, sonst haben beide Seiten später keine Freude an der Zusammenarbeit.
Darüber hinaus sollten die Studierenden im Projektstudium Kontakte knüpfen. Die Deutsche Bank z. B. verfügt über einen großen Pool an Trainees, dualen Studierenden und Azubis. Man trifft sich bekanntlich immer zweimal im Leben. Gerade die junge Generation, die derzeit ausgebildet wird, lebt die Vernetzung, das kann beim beruflichen Einstieg dann sehr nützlich sein.
Last, but not least sollte man natürlich den Spaß an der Sache behalten. Wenn es mal anstrengend wird oder einfach nicht mehr geht, sollte man ganz offen mit dem Betreuer sprechen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Wie nimmt ein Betreuer auf Hochschulseite das Projektstudium wahr? Wir haben mit Jörg Fischer, accadis-Dozent und Projektstudium-Betreuer auf Seiten der Hochschule, gesprochen.

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