
Im dritten Bachelor-Studienjahr absolvieren die accadis-Studierenden ein langes Praktikum als Projektstudium. Hier wenden sie das umfassende Wissen aus dem Studium in der Praxis an und bringen sich kreativ in ein Unternehmen ein. Wie Jörg Fischer (JF), Betreuer auf Seiten der Hochschule im Projektstudium, diese Art von Praxiserfahrung sieht, erläutert er in einem Interview.
Aus Sicht des hochschulseitigen Betreuers im Projektstudium und Hochschuldozenten: Wie beurteilen Sie das Projektstudium? Welche Möglichkeiten eröffnet es den Studierenden, die während des Studiums erlernten Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen praktisch anzuwenden?
JF: Das Projektstudium ist für die Studierenden einer der letzten Meilensteine im Studium und hat einen besonderen Stellenwert im Curriculum. Es ist das Modul mit der höchsten ECTS-Punktzahl im gesamten Studium. Dies motiviert die Studierenden, sich auf die besonderen Anforderungen des sowohl theorie- als auch praxisbezogenen Moduls einzulassen. So schließen sie es mit besonderen Leistungen ab, welche die Kombination der genannten Kompetenzen erforderlich machen.
Zunächst suchen die Studierenden mit dem Praktikumsunternehmen ein passendes Thema. Es kommen also von Beginn an die Fähigkeiten aus dem Fachgebiet der Sozialkompetenz zum Einsatz: Die Studierenden müssen mit Fach- und Führungskräften auf Augenhöhe sprechen und dabei auch mit Fachkompetenz überzeugen. Es gibt zudem einige Herausforderungen der Methodenkompetenz: das Thema in eine konkrete Problemstellung mit Projektzielen überführen, sich eine Vorgehensweise überlegen und in gewissen Abständen prüfbare Meilensteine festlegen. Im Projekt kommt dann die Fachkompetenz erneut zur Anwendung: der selbst geschaffenen Vorgehensweise folgen und so für die Problemstellung inhaltlich fundierte Lösungen ausarbeiten, die auf einer belastbaren Theoriekonstruktion fußen. Und schließlich fertigen die Studierenden für das gesamte Projekt eine ergebnisorientierte, wissenschaftliche Arbeit an und halten eine Präsentation mit anschließender Verteidigung ihrer vorgestellten Projektresultate. Das erfordert wiederum die bewusste Kombination aller drei Kompetenzfelder.
Wie finden Unternehmen und Studierende ein passendes Thema für das Projektstudium?
JF: Hier blicke ich auf etwa 15 Jahre Erfahrung zurück und kann mit großem Selbstbewusstsein sagen: Die Themenfindung gelingt in den meisten Fällen ohne große Probleme. Da ich als Unternehmensberater im Jahresverlauf in verschiedenen Firmen tätig bin und mit den unterschiedlichsten Bereichen oder Abteilungen Kontakt habe, weiß ich, dass es dort immer Themen gibt, die einmal bearbeitet werden müssten. Dies sind häufig Aufgabenstellungen, mit denen in der Regel nicht zu unterschätzende Effektivitäts- und/oder Effizienzpotenziale verbunden sind. Es fehlen aber die Kapazitäten, um sich der Themen anzunehmen. Da unsere Studierenden bei der Festlegung ihrer Projektthemen fachlich nicht eingeschränkt sind, also aus der gesamten BWL wählen dürfen, können sie mit Flexibilität auf die unternehmensbezogenen Bedürfnisse eingehen. Zudem habe ich festgestellt, dass die Studierenden bei ihrer Themenwahl nicht selten eine Horizontverbreiterung oder sogar einen betriebswirtschaftlichen Perspektivwechsel durchlaufen. War es z. B. für so manchen Studierenden im Sportmanagement vor dem Projektstudium undenkbar, sich mit einem Controlling-Thema zu beschäftigen, haben wir in der Endpräsentation schon so manches selbst aufgebaute Reporting-System gesehen, das mit Begeisterung und Überzeugung vorgestellt wurde. Und kommt es einmal zu Schwierigkeiten bei der Themenfindung, unterstützen wir den Studierenden hochschulseitig, bis er eine passende Aufgabenstellung findet.
Was denken Sie über den Aufbau des Projektstudiums, das – ähnlich wie klassische Unternehmensprojekte – über Meilensteine wie Kick Off und Statusberichte verfügt?
JF: Mehrere methodische Bestandteile des Projektstudiums sind elementar: Die Studierenden konzipieren die Vorgehensweise, mit der sie Projektergebnisse erarbeiten. Zudem wenden sie typische Projektmanagement-Tools an. Sie trainieren so, komplexe Projektstrukturen auf einzelne, abgeschlossene Arbeitspakete zu verteilen und hierüber zu festen Terminen zu berichten. Im Kick Off muss jeder Studierende sein Projektvorgehen erklären und verteidigen. Zu festen, von der Hochschule vorgegebenen Terminen geben die Studierenden Statusberichte über den Fortschritt im Projekt und in den Arbeitspaketen ab. Hierdurch „üben“ sie, wie man gegen vorgegebene „Deadlines“ berichtet. Häufig erzählen mir Absolventen, dass sie in ihrem ersten Job viele Komponenten des Projektstudiums wiedergefunden haben und froh waren, genau zu wissen, wie das läuft.
Wie verstehen Sie die Rolle des Unternehmensbetreuers im Projektstudium?
JF: Der Unternehmensbetreuer ist das dritte Element im Zusammenspiel mit Studierendem und Hochschulbetreuer. Während der Hochschulbetreuer sich eher aus der Ferne um das Projektstudium kümmert, interagiert der Unternehmensbetreuer mit dem Studierenden vor Ort. Ich sehe den Betreuungsauftrag des Unternehmensbetreuers dahingehend, dass er nach der gemeinsamen Themenauswahl mit dem Studierenden einen regelmäßigen Termin vereinbart und sich in dieser Besprechung über Status und Projektfortschritt informieren lässt. Hier sollten auch Fragen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise besprochen und ggf. verschiedene Szenarien gegeneinander abgewogen werden. Sicherlich ist der Studierende auch für die eine oder andere Hilfestellung seines Unternehmensbetreuers dankbar, wenn es einmal nicht so läuft. Wenn ich mir etwas wünschen darf, würde ich es begrüßen, wenn sich die Unternehmensbetreuer die Endpräsentation der Studierenden ansehen. Hiermit bringen sie dem Studenten und seiner Arbeit eine besondere Wertschätzung entgegen.
Als letzten Meilenstein fertigen die Studierenden eine wissenschaftliche Arbeit an und präsentieren ihre Erkenntnisse an der Hochschule vor einem Management-Gremium. Hilft den Studierenden die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Projektergebnissen dabei, Unternehmensprojekte später im Arbeitsleben für die Ansprüche von Entscheidern aufzubereiten?
JF: Ich habe ja bereits versucht, darauf hinzuweisen: Ein wesentlicher Faktor des Projektstudiums ist, die Studierenden auf den selbstbewussten Umgang mit dem Unternehmensalltag vorzubereiten. Dazu gehört ohne Zweifel, seine Projektergebnisse in einem Bericht wissenschaftlich zusammenzufassen. Solche Konzeptpapiere sind in Unternehmensprojekten unverzichtbar. Man muss wissen, wie man sie strukturiert und für Dritte verständlich formuliert. Ähnlich verhält es sich mit der Management-Präsentation. Die Studierenden lernen so, drei bis vier Monate Projektarbeit in einem vorgegebenen Zeitfenster kompakt vorzutragen. Dank der vorausgegangenen wissenschaftlichen und unter Einbeziehung von Theorie erstellten Ausarbeitung sind die Studierenden in der Regel gut vorbereitet. Sie sind in der Lage, ihre Projektergebnisse vor dem Management-Gremium zu verteidigen – auch wenn die Fragen einmal etwas kritischer werden.
Herr Fischer, Sie sind im „echten Leben“ Unternehmensberater und Dozent an der accadis Hochschule Bad Homburg – welche Tipps haben Sie für Studierende, die in das Projektstudium gehen?
JF: Das Projektstudium stellt aus meiner Sicht eine große Chance für jeden Studierenden dar – unerheblich, aus welcher Blickrichtung man es betrachtet. Es ermöglicht, als Praktikant in ein interessantes Unternehmen unverbindlich „einzusteigen“ und sich einmal „umzusehen“. Nicht selten entwickelt sich aus der Praktikumsstelle so das erste Arbeitsverhältnis nach dem Studium. Im Projektstudium können die Studierenden die vielleicht an der einen oder anderen Stelle während des Studiums als qualvoll empfundene Theorie zielgerichtet und sinnstiftend einsetzen und ihr einen ganz neuen, selbst entdeckten Stellenwert zuordnen. Und schließlich ist es eine nicht zu unterschätzende Übung und Erfahrung, die vielen aus einer projektbezogenen Aufgabenstellung resultierenden Gedanken zu strukturieren und eine Vorgehensweise zu entwickeln, die zu wertigen Projektergebnissen führt. Dass auch die Sozialkompetenz eine große Rolle im Projektstudium spielt, hatte ich erwähnt. Aber in diesem Kompetenzfeld haben unsere Studierenden durch verschiedene Fachmodule an der Hochschule so viel Know-how aufgebaut, dass sie es im Projektstudium einfach anwenden.
Gehen Sie mutig in die Chance „Projektstudium“; Sie werden erstaunliche Lerneffekte mitnehmen, die Ihnen im späteren Berufsleben helfen werden.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Wie nimmt ein Betreuer auf Unternehmensseite das Projektstudium wahr? Wir haben mit Dr. Matthias Heiler, COO Chief Technology Office bei der Deutschen Bank AG, gesprochen.