„Es geht nicht immer nur um Fußball.“

victor roether

Dass das „Runde ins Eckige“ gehört, ist den meisten klar, wenn das Wort „Fußball“ fällt. Kaum einer weiß aber um die vielfältigen Aufgabenbereiche eines Fußballers, der oftmals eben doch mehr ist als ein „Hobbykicker“. Bestes Beispiel hierfür ist accadis-International Sports Management-Student Victor Röther (VR). Er steht nicht nur selbst auf dem Fußballfeld, sondern ist – so nebenbei – auch noch Trainer und Jugendleiter. In einem spannenden Interview erzählt er von seinen zahlreichen Aufgaben und Herausforderungen als Aktiver im SV Frauenstein und wie man Inhalte des Sportmanagement-Studiums auch auf das eigene Hobby anwenden kann.

Victor Röther, Seit wann sind Sie im Fußball aktiv?

VR: Ich spiele seit 1999 Fußball im SV Frauenstein. Es ist mein Heimatverein, in dem ich auf gewisse Art aufgewachsen bin. Dort war ich auch drei Jahre lang Co-Trainer der C-Jugend. Derzeit trainiere ich die D2-Jugend des JFC Frankfurt, das ist der Jahrgang 2004. Der JFC Frankfurt wurde übrigens von Karl-Heinz „Charly“ Körbel gegründet, der dem ein oder anderen Fußballfan bekannt sein dürfte. Er ist mit 602 absolvierten Spielen Rekordbundesligaspieler. Das war auch einer der Gründe, warum ich den Trainerposten dort übernommen habe. Die Zusammenarbeit mit ehemaligen Profis ist einfach spannend. Derzeit trainiere ich die D2-Jugend gemeinsam mit Norbert Nachtweih, er spielte bei Eintracht Frankfurt und Bayern München, ist mehrfacher deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Für mich ist es eine Ehre, dass ich mit ihm arbeiten darf. Seit Dezember 2015 bin ich außerdem Jugendleiter im SV Frauenstein und werde dort ab der nächsten Saison auch Trainer der A-Jugend, Jahrgang 1998|99 sein. Das ist eine Herzensangelegenheit von mir, den diese A-Jugend wird aus den Jungs bestehen, die ich als C-Jugend trainiert habe. Wir haben einiges gemeinsam erlebt, zum Beispiel den Aufstieg in die Hessenliga in 2014. Das ist als klassischer Ortsverein schon eine größere Sache, wenn man bei Relegationsspielen der C-Jugend von einem Publikum aus 300 bis 400 Leuten unterstützt wird. Das vergisst man nicht so leicht und das schweißt zusammen.

Ist das gängig, in einem Verein aktiv zu spielen und in einem anderen Trainer zu sein?

VR: Es ist schon eine seltene und etwas seltsame Konstellation. Aber die beiden Vereine sind keine direkten Konkurrenten.

Was macht Ihnen am Fußball als Sport am meisten Spaß?

VR: Grundsätzlich macht mir die Jugendarbeit sehr viel Spaß. Die Jugendlichen und Kinder sind – meistens – sehr lernwillig und man lernt selbst viel von ihnen. So entwickelt man sich auch selbst weiter. Es spielen innerhalb von Sportteams ja immer auch Pädagogik und Psychologie eine Rolle, da geht es nicht nur ums „Kicken“. Als Jugendspieler war ich sehr erfolgreich und hatte tolle Erlebnisse mit meiner Mannschaft, sodass diese Zeit für mich zu den schönsten meines bisherigen Lebens gehört. Das bindet natürlich an den Verein und ich möchte die tollen Erlebnisse auch anderen Jugendlichen ermöglichen.

Was ist für Sie die größte Herausforderung im Fußball?

VR: Für einen Trainer können die Eltern der jungen Spieler eine gewisse Herausforderung sein. Je jünger die Spieler sind, desto mehr sind sich die Eltern ihres Einflusses bewusst. Da kann es schon mal zu Diskussionen rund um den Umfang des Einsatzes in den Spielen geben. Aber auch durch solche Situationen entwickelt man sich weiter, als Trainer muss ich mich mit den unterschiedlichen Interessengruppen auseinandersetzen. Eine zusätzliche Herausforderung in der nahen Zukunft stellt für mich die Umsetzung dessen dar, was ich vor kurzem während eines Trainerlehrgangs kennengelernt habe.

Sie spielen in der ersten Mannschaft des SV Frauenstein. Wo steht das Team derzeit in der Tabelle?

VR: Momentan spielen wir in der Kreisoberliga Wiesbaden, der achten Liga, also auf Amateurniveau. Derzeit stehen wir auf einem zweistelligen Tabellenplatz, haben aber eine junge, motivierte Mannschaft. Die A-Jugend wird es erst in der kommenden Saison wieder geben – wir mussten aus organisatorischen Gründen eine Saison aussetzen. Aber jetzt ist der „Nachwuchs“ für die erste und zweite Mannschaft wieder gesichert.

Was ist momentan das Mannschaftsziel?

VR: Für die erste Mannschaft ist ganz klar ein einstelliger Tabellenplatz das Ziel. Wir haben aber noch keine Ambitionen auf eine höhere Liga. Auf lange Sicht natürlich schon, aber wir möchten erst mal ein, zwei Jahre als Team konstant bleiben. Das Mannschaftsziel der D2-Jugend im JFC Frankfurt liegt im Wachsen und in der Weiterentwicklung der Spieler, der Erfolgsdruck als Team steht weniger im Vordergrund, da wir nicht aufsteigen können.

Welche Position spielen Sie in der ersten Mannschaft beim SV Frauenstein?

VR: Ich bin Innenverteidiger.

Was begeistert Sie an dieser Position – abgesehen davon, dass man als Spieler ja immer die Position innehat, die am besten zu den eigenen Stärken passt?

VR: Da ist zum einen natürlich die Herausforderung, zu Null zu spielen. Aber auch die Zweikämpfe machen viel Spaß, und genau für diese steht die Position des Innenverteidigers. Damit muss man sich aber erst einmal anfreunden. Dass in den Medien meist die Stürmer und das Mittelfeld im Fokus stehen, macht es nicht unbedingt leichter, die Position als Trainer den potentiellen Kandidaten schmackhaft zu machen. Die Jugendlichen wollen Tore machen und eben „vorne spielen“.

Was ist die größte Herausforderung an der Position?

VR: Man muss sich immer wieder auf die individuellen Stärken und auf das Zweikampfverhalten des jeweiligen Gegners einstellen, um gegen ihn bestehen zu können.

Was gehört zu Ihren Aufgaben als Jugendleiter?

VR: Zum einen bin ich für die Organisation des Spielbetriebs verantwortlich. Manchmal müssen Spiele verlegt werden oder Spieler aussetzen. Vor der Saison und in der Winterpause besuche ich Sitzungen zur Spielbetriebsorganisation. Dort werden solche Sachen dann geklärt. Auch die Kommunikation mit dem Verband gehört zu meinen Aufgaben. Und grob gesagt natürlich alles, was mit den Spielern und Trainern zu tun hat. Aktuell beteilige ich mich zusätzlich an einem weniger klassischen Bereich eines Jugendleiters. Demnächst stellen wir ein innerhalb des Vereins ausgearbeitetes Konzept zur Förderung und Qualitätssicherung im Jugendbereich vor.

Welche Elemente der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen machen Ihnen am meisten Spaß?

VR: Man lernt viel von- und miteinander. Das bringt beide Seiten weiter. Dazu kommen altersspezifische Besonderheiten. Die Jungs, die ich trainiere, sind hochmotiviert, nehmen alles an, was man ihnen vermittelt, probieren alles aus. Eine große Rolle spielt natürlich auch das klassische Argument vieler Trainer und Spieler: Es ist was dran an dem Einfluss der lachenden Gesichter und der Freude nach einem Sieg.

Was sind die größten Herausforderungen an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

VR: Ab einem gewissen Alter wird die Kommunikation schwieriger. Das beginnt meist in der B-Jugend, wenn die Jungs in die Pubertät kommen. Sie entwickeln ihre Persönlichkeit und eine eigene Meinung weiter. Als Trainer muss man hier die Kontrolle be- und das Mannschaftsgefüge erhalten, klare Verhaltensregeln durchsetzen. Innerhalb eines Teams muss sich jeder bis zu einem gewissen Grad unterordnen. Aber auch hier gilt, dass Herausforderungen den Sport und die Arbeit als Trainer ja erst interessant machen.

Was genau hat Ihr Dasein als Trainer zu Ihrer persönlichen Entwicklung beigetragen?

VR: Der Job als Trainer hat mir geholfen, mehr aus mir rauszugehen. Ich habe gelernt, Autorität auszustrahlen, ohne dabei diktatorisch zu sein. Das war natürlich am Anfang nicht so einfach, die Jungs waren ja teilweise fast so alt wie ich. Mittlerweile blicke ich aber auf drei bis vier Jahre Erfahrung zurück. Viele Elemente meiner Trainertätigkeit kann ich in anderen Lebensbereichen anwenden. Auch im beruflichen Alltag sollte man in der Lage sein, Gruppen zu leiten, man muss mit unterschiedlichen Menschen umgehen können.

Zusätzlich sind Sie der Administrator des SV Frauenstein-Facebook-Profils. Wie kam es dazu?

VR: Unser altes Facebook-Profil wurde nicht mehr aktuell gehalten, weshalb wir es ersetzt haben. Das neue Profil läuft sehr gut. Wir sind in unserem Bereich die dritt- oder viertbeste Facebook-Seite gemessen an den Likes. Wir haben zusätzlich einen Instagram-Account und einen YouTube-Kanal eingerichtet, beide kommen gut an. Manche mögen das belächeln, weil wir nur ein kleiner Ortsverein sind. Mir macht es aber Spaß und ich denke, dass ein professioneller Social Media-Auftritt auch für einen Ortsverein wichtig ist. Und ich kann Erfahrungen für mein berufliches Leben sammeln.

Wie hoch ist der Aufwand der Social Media- und Online-Aktivitäten für Sie?

VR: Man „kann“ vieles machen, muss sich aber bewusst sein, dass alles, was man angefangen hat, aktuell gehalten werden muss. Mittlerweile habe ich Aufgaben im Online-Bereich auch abgegeben. Einer unserer Spieler beispielsweise verfasst die Spielberichte der ersten und zweiten Mannschaft. Das ist schon eine Entlastung, denn das Schreiben der Berichte mit den genauen Minutenangaben der Ereignisse kann ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen. Für die Website unseres Vereins haben wir einen externen Webmaster, dem ich sämtliche Infos weiterleite. Der Aufwand hierfür hält sich also in Grenzen. Für die Vereinsaktivitäten in den Social Media kann man etwa drei Stunden pro Woche ansetzen. Da macht man vieles natürlich mal „nebenbei“, aber insgesamt ist das Online-Marketing eine aufwändige Sache, dessen muss man sich bewusst sein. Nicht umsonst hat jeder größere Verein eine eigene Marketing-Abteilung.

Wie hoch ist der gesamte Zeitaufwand für Ihr Hobby bzw. kann man noch von einem Hobby sprechen?

VR: Es ist eher ein Job parallel zum Studium als ein Hobby. Ich bekomme auch mal ein „Übertreibe es nicht“ aus dem Familien- und Freundeskreis zu hören. Ich bin dreimal pro Woche beim JFC in Frankfurt Trainer, da kommen etwa sechs bis acht Stunden die Woche zusammen. In Frauenstein summieren sich das zweimalige Training in der Woche und die Spiele auf ca. sechs Stunden pro Woche. Als Jugendleiter ist man im Prinzip immer aktiv und erreichbar. Dieses Pensum kann man natürlich nur bewältigen, wenn die entsprechende Passion und viel Spaß dahinterstehen.

Sie studieren International Sports Management in Vollzeit. Wie stressig ist die Kombination aus dem Studenten-, Trainer- und Fußballspielerdasein?

VR: Das kann schon mal stressig werden. Es hält sich momentan aber in Grenzen. Der Stress ist natürlich in den Prüfungsphasen des Studiums größer. Ansonsten geht es aber meist um terminlichen Organisationsdruck, wenn ich beiden, dem Studium und dem Fußball, gerecht werden möchte. Und auch hier gilt, dass man an seinen Aufgaben und Herausforderungen wächst. Man muss lernen, mit dem Stress umzugehen und sich auch selbst Grenzen setzen, sagen „Ich gehe jetzt nicht mehr ans Telefon, sondern lerne für die Uni“.

Im vergangenen Dezember spielten Sie mit Ihrer Mannschaft gegen eine Wiesbadener Flüchtlingsmannschaft. Wie kam es dazu?

VR: Ursprünglich plante mein Vater mit seinem Gesangsverein Allegreddo als kleine Geste ein vorweihnachtliches Essen gemeinsam mit den Flüchtlingen. Wir haben die Veranstaltung dann mit einem Fußballspiel gegen die Wiesbadener Mannschaft Rambach United verbunden. Die Flüchtlinge in der Mannschaft stammen hauptsächlich aus Somalia und Eritrea. Es war ein tolles Erlebnis. Wir haben zwar am Ende sieben zu vier gewonnen, lagen aber zu Beginn mit eins zu null im Rückstand. Vor allem war es interessant, die Hintergründe zu erfahren. Einer der Fußballspieler war mit Schilddrüsenkrebs nach Deutschland gekommen und konnte hier behandelt werden. In seiner Heimat hätte er noch etwa zwei Jahre zu leben gehabt. Er ist einer der besten Spieler der Mannschaft und erst 17 Jahre alt. Man sollte sich wirklich Gedanken machen, warum all die Menschen nach Europa kommen, das sind alles individuelle und oft schwere Schicksale. Den beiden Vereinen war es wichtig, mit dem gemeinsamen Essen und dem Fußballspiel ein Zeichen zu setzen.

Gibt es weitere soziale Aktivitäten des Vereins?

VR: Sicher haben wir einen sozialen Auftrag und diesen nehmen wir auch sehr ernst. Wir haben uns beispielsweise in den letzten Jahren für Niki, einen Förderverein für nierenkranke Kinder, engagiert.

Gibt es Inhalte Ihres Studiums, die Sie im Verein anwenden konnten?

VR: Da gibt es einiges. In der Vorlesung International Management haben wir gelernt, wie man sich selbst optimal managt. Als Negativ-Beispiel galt ein Film über einen Unternehmenschef, der nicht gut delegiert und so für sehr viel Chaos sorgt. Die Vorlesung Business Planning hilft mir bei der Vorbereitung des erwähnten Konzepts zur Qualitätssicherung im Jugendbereich des SV Frauenstein. So konnte ich die Stärken und Schwächen des Projekts effektiver analysieren.

Soll es beruflich bei Ihnen auch in Richtung Vereinsarbeit gehen?

VR: Ja, auf jeden Fall. Mein Traum ist es, ein Praktikum und einen Trainerposten bei einem Bundesligaverein zu ergattern und danach ins Management übernommen zu werden. So könnte ich Beruf und Hobby optimal verbinden. Das klingt anspruchsvoll, was mir auch bewusst ist. Deshalb habe ich einen Plan B in der Tasche. Es wird sich also auf jeden Fall ein Weg finden.

Lieber Victor Röther, vielen Dank für das spannende Interview.

Foto: Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Victor Röther. 

Ein spannendes Hobby hat auch accadis-Studentin Felicia Müller. Sie ist Akrobatin am Duo-Trapez

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