
Auf den 2. Bad Homburger Sportmanagement-Tagen wird über WM-Neuvergaben, olympische Werte und Hamburger Chancen diskutiert
Die Neuvergabe der Fußballweltmeisterschaft von Qatar 2022 wäre beschlossene Sache, wenn es nach den Teilnehmern der 2. Bad Homburger Sportmanagement-Tage 2015 geht. Allerdings haben nach der Konferenz deutlich weniger Teilnehmer für eine Neuvergabe gestimmt als vorher. Denn die Diskussion mit den renommierten Experten hat gezeigt, dass die Zusammenhänge doch vielschichtiger sind, als es das öffentliche Meinungsbild meist suggeriert. Beispiel Quatar: Korruptionsvermutungen, die Hitze, die Arbeitsbedingung – das scheint eindeutig. Aber eine ausgewogene Bewertung berücksichtigt weitere Fragen: Wären die Arbeitsbedingungen in Qatar ohne die Fußball-WM jemals auf die internationale Agenda gekommen? Welche Rolle spielen deutsche Bauunternehmen? Kompensiert der positive Ökobeitrag der kurzen Wege vielleicht die notwendige Klimatisierung? Soll in der arabischen Welt grundsätzlich nie eine Fußball-WM stattfinden können?
Am Mittwoch, 8. Juli 2015 lud die accadis Hochschule Bad Homburg zur diesjährigen Sportmanagementkonferenz ein, die bereits zum zweiten Mal in Kooperation mit der Deutschen Olympischen Akademie stattfand. Die mehr als 120 Besucher und Vertreter aus Sport, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien beschäftigten sich – auch passend zu den aktuellen Geschehnissen rund um die FIFA – in spannenden Workshops und Podiumsdiskussionen mit der Zukunft von Großevents im Sport.
Nach einer Einführung von Tobias Knoch (Direktor DOA) und Prof. Dr. Florian Pfeffel (accadis Hochschule, Fachbereich Management and Strategy | Sports Management) behandelte die ehemalige Olympiateilnehmerin Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International und Vorstandsmitglied der Deutschen Olympischen Akademie, aktuelle und zukünftige Ausrichter wie z. B. Baku, Russland und Qatar. Sie zeigte auf, wie Sportgroßveranstaltungen in Zukunft ausgeschrieben und vergeben werden müssten, damit sie positive Entwicklungen in Gang setzen können. Diese Diskussion setzte sich auch im anschließenden Podium fort, zu dem Christian Klaue, Pressechef des DOSB, seine aktuellen Erfahrungen von den Europaspielen aus Baku einbringen konnte.
Aktueller denn je ist auch die Hamburger Olympiabewerbung für 2024. Dass Hamburg eine IOC-Agenda-City ist, also ein Bewerber, der die im Dezember 2014 vom IOC verabschiedete Reformagenda mit u. a. einer deutlich stärkeren Betonung der Nachhaltigkeit erfüllt, machte Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke, ehemaliger Sportamtdirektor und Landessportreferent der Stadt Hamburg, deutlich. Die sich anschließende Frage, ob denn am Ende des Tages auch die Abstimmung im IOC „agendakonform“ sein wird, hat Hamburg für sich beantwortet. Man bietet eine Nachhaltigkeitsaspekte in den Vordergrund rückende Bewerbung an, die in sich stimmig ist und hinter der Hamburg guten Gewissens stehen kann. Wenn das dann nicht das sein sollte, was das IOC präferiert, dann ist das eben so.
Schließlich darf bei einem Sportmanagement-Kongress auch eine stärker wissenschaftlich orientierte Perspektive nicht fehlen. Prof. Dr. Holger Preuss, Professor für Sportsoziologie und Sportökonomie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, diskutierte mit den Teilnehmern die Wahrnehmung der Olympischen Werte. Neueste Forschungen, die auf umfangreichen internationalen Umfragen beruhen, haben ergeben, dass neben traditionellen Werten wie Leistung oder Freundschaft der Wert „Entertainment“ Einzug gehalten hat – für einige eine überraschende, für andere eine zwangsläufige Ergänzung des Olympischen Gedankens.
Darüber hinaus hat sich bereits am Vormittag eine Expertenrunde unter der Moderation von Olympiamedaillengewinner Harald Schmid und Prof. Dr. Gerhard Trosien der Fragestellung gewidmet, ob sich ein neuer Anlauf lohnt, die Metropolregion Rhein-Main als Sportregion institutionell aufzustellen. Ob der gemeinsame Nenner – zunächst nur einige ausgewählte Stakeholder – hierfür groß genug ist, wird diese Expertenrunde in den nächsten Monaten klären.